Eine Herkulesaufgabe kurz vor der Wende
Großbeeren. „Historisch und einmalig kann man die Situation vor 30 Jahren sicherlich nennen, von jetzt auf gleich musste in tausenden von Städten, Kreisen und Gemeinden demokratisch, rechtsstaatlich und bürgernah gehandelt werden“, sagt der Diedersdorfer Gemeindevertreter Dirk Steinhausen, der auch Vorsitzender der Wählerinitiative „Wir für Großbeeren“ (WfG) ist. Eine Herkulesaufgabe sei es gewesen, die die Kommunalpolitiker am 6. Mai 1990, also vor ziemlich genau 30 Jahren, vor sich hatten.
Damals gaben 9,2 Millionen von 12,3 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab, was einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent entspricht. Mit 34,37 Prozent der Stimmen ist die CDU aus den ersten freien Kommunalwahlen der DDR seit 1946 als Sieger hervorgegangen. Die SPD erreichte 21,3 Prozent und die PDS 14,6 Prozent der Stimmen. „Die Kommunalpolitiker der ersten Stunden haben Großartiges geleistet und es ist wichtig, diese Leistung zu würdigen und stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken“, so Steinhausen. Beim Betrachten des damaligen Wahlzettels, erkennt der Kommunalpolitiker durchaus noch heute bekannte Namen. Denn einige der dort Genannten sind noch immer oder wieder politisch aktiv.
Ralf Pächnatz-Löwendorf trat damals für die SPD an, später vertrat er lange Jahre die FDP, jetzt ist er in der CDU/FDP-Fraktion aktiv. Irene Pacholik war schon 1990 in der PDS und engagiert sich heute noch für Die Linke. Es sei eine tolle Leistung, wenn sich jemand über 30 Jahre aktiv für das Gemeinwohl einsetzt, betont Steinhausen anerkennend. „Wir als Gesellschaft sind zu Dank verpflichtet, dass sie sich in einer Zeit politisch engagiert haben, als vieles noch nicht „klar und beständig“ war“, so der Gemeindeverterter weiter.
Die WfG ist die jüngste politische Gruppierung in Großbeeren. Trotzdem hat sie die letzte Kommunalwahl im Mai 2019 mit über 20 Prozent gewonnen, während die CDU mit minus 14,6 Prozent, die FDP mit minus 7,3 Prozent und die SPD mit minus 4,5 Prozent teilweise herbe Verluste erleiden mussten.
Erste und letzte demokratische Kommunalwahl der DDR
Vor 30 Jahren wurde die erste freie Kommunalwahl der DDR am Sonntag, den 6. Mai durchgeführt. Es war nach der Volkskammerwahl im März die zweite demokratische Wahl in der DDR und sollte zugleich die letzte sein. Dabei war es vor allem die Wiederholung der Kommunalwahl vom 7. Mai 1989. Vorher seien seit 1950 jegliche Wahlen, so auch die Kommunalwahlen im Vorjahr, gefälscht worden, betont Steinhausen. Egon Krenz, Wahlleiter am 7. Mai 1989, hatte eine Woche nach Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses alle Unterlagen vernichten lassen. Diesmal, kurz vor der Wende, aber gab es etwa 300 Einsprüche gegen das Ergebnis. Die durch die Stasi kontrollierte Justiz hatte daraufhin am 19. Mai die Weisung erteilt, Einsprüche kommentarlos anzunehmen und nach einer gewissen Frist „mündlich zu bescheiden“, also abzulehnen.
Die Bürger reagierten auf inzwischen schon bewährte Weise: Die Zahl der Ausreiseanträge stieg. Die Oppositionsgruppen, die sich aus den kirchlichen Kreisen bildeten, begannen nach und nach immer mehr Menschen für sich zu gewinnen. Der neu angesetzte Wahltermin fiel in die Zeit nach dem Fall der Mauer. Die Wahl am 7. Mai 1989 sei der „erste Spatenstich fürs Grab“ des SED-Staates gewesen, sagte der aus der DDR-Bürgerbewegung kommende Grüne Werner Schulz einmal, erinnert sich Steinhausen noch heute. red /sg